Schulwagen auf dem Schützenfest Hannover

Das Team von #LernenVernetzt hat am 06. Juli 2022 auf dem Schützenfest Hannover den für Kinder beruflich Reisender eingerichteten Schulwagen besucht und einen Einblick davon bekommen, wie die Schüler*innen während des Aufenthaltes auf dem Festplatz unterrichtet werden.

Schüler*innen auf dem Weg in den Schulwagen Schüler*innen auf dem Weg in den Schulwagen Schüler*innen auf dem Weg in den Schulwagen © LSE

Kevin Wrede, Lehramtsstudent im Fächerübergreifenden Bachelorstudiengang der Leibniz Universität Hannover (LUH) mit den Fächern Mathematik und Philosophie unterstützt die Förderschullehrerin und Bereichslehrkraft für Kinder beruflich Reisender des Regionalen Landesamtes für Schule und Bildung Hannover (RLSB), Nele Ackermann, beim Lehren und Lernen im Projekt #LernenVernetzt seit Beginn des Frühlingsfestes im April 2022. Die Zusammenarbeit wurde während des Schützenfests fortgeführt.

Die ca. 20-30 Schaustellerkinder werden während dieser Zeit von ihren Stammschulen mit Lernmaterial versorgt und besuchen zusätzlich vormittags eine Schule in Hannover. Nachmittags werden sie von Frau Ackermann und ihrem Team in einem Schulwagen am Festort betreut.

Wir waren im Gespräch mit der Lehrkraft, den ehrenamtlich engagierten Studenten und zwei Schüler*innen, die uns von dem Schulalltag und ihren besonderen Herausforderungen berichtet haben.


Interview mit Kevin Wrede, Student im FüBa

Man lernt in der Uni in der Fachdidaktik sehr viel Theorie und ich habe mich darauf gefreut, die Theorie auszuprobieren und umzusetzen.
Mitarbeiterinnen von #LernenVernetzt im Interview mit Kevin Wrede Mitarbeiterinnen von #LernenVernetzt im Interview mit Kevin Wrede Mitarbeiterinnen von #LernenVernetzt im Interview mit Kevin Wrede © LSE
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    Wie sind Sie auf #LernenVernetzt aufmerksam geworden?

    „Durch eine Rundmail vom #LernenVernetzt-Team. Eigentlich aber schon früher während der Lockdowns, da hatte ich aber keine Zeit mich zu engagieren und habe gehofft, dass ich zu einem späteren Zeitpunkt am Projekt teilnehmen kann. Ab dem Zeitpunkt, an dem ich die Zeit hatte, habe ich mich dann angemeldet. Mir ging es darum, schon im FüBA praktische Erfahrungen zu sammeln und mit Schüler*innen zu arbeiten und genau das ist hier im Schulwagen wirklich sehr gut möglich.“

     

    Was hat Sie dazu motiviert, genau dieses Match mit dem Schulwagen anzunehmen?

    „Das Besondere daran, also nicht in der Schule zu sein, sondern an diesem besonderen außerschulischen Lernort. Ich kannte das ganze Projekt vorher gar nicht, sodass ich mich, als der Vorschlag kam, erstmal eingelesen habe. Ich hatte früher in meiner Schulzeit auch mal eine Schülerin in meiner Klasse, die für ein paar Wochen bei uns war und konnte das damals gar nicht einordnen – jetzt kann ich es. Ich fand’s spannend.“

     

    Mit welchen Erwartungen sind Sie an das Match herangegangen?

    „Ich habe mir gewünscht, direkt mit Kindern zusammenzuarbeiten, und nicht nur vorzubereiten und eine Lehrkraft zu unterstützen. Man lernt in der Uni in der Fachdidaktik sehr viel Theorie und ich habe mich darauf gefreut, die Theorie auszuprobieren und umzusetzen.“

     

    Wie läuft die Zusammenarbeit mit Frau Ackermann und dem Team?

    „Ich bin hier sehr offen aufgenommen worden. Ich spüre die Dankbarkeit und die Wertschätzung meiner ehrenamtlichen Arbeit gegenüber, auch von den Kindern. Gerade in meinem Zweitfach Mathe heißt es oft, wenn Fragen aufkommen „Frag mal Kevin!“ – das macht Spaß und deswegen komme ich sehr gerne hierher. Auch das über-den-Tellerrand-Schauen, über die eigenen Fächer hinaus auch mal fachfremd zu unterstützen ist zwar eine Herausforderung, aber macht auch sehr viel Spaß. Genau das ist hier sehr gut möglich.“

     

    Sind Sie hier noch weiteren Herausforderungen begegnet?

    „An die laute Musik muss man sich etwas gewöhnen, gerade beim Erklären. Die Schüler*innen sind da sehr professionell, die stört das kaum. Außerdem Namen lernen, zum Teil haben die Schüler*innen sehr außergewöhnliche Namen, die ich im schulischen Kontext bislang eher selten angetroffen habe. Es sind zudem nicht alle Schüler*innen, die beim Frühlingsfest waren, jetzt auch beim Schützenfest dabei, ich treffe also immer mal wieder auf andere Lernende.“

     

    Welche Momente sind Ihnen besonders in Erinnerung geblieben?

    „Ich habe einmal einer Schülerin bei Physikaufgaben geholfen, das war für mich eine Herausforderung, weil mir Physik in meiner Schulzeit nicht so lag. Außerderm ist der professionelle Umgang der Schüler*innen mit anderen Menschen toll, die Schüler*innen sind alle sehr offen. Wir hatten es auch schon, dass während der Zeit hier im Schulwagen Klassenarbeiten geschrieben werden mussten, das war auch sehr besonders. Ich bin auf jeden Fall sehr froh, hier diese Erfahrung sammeln zu können, in meinen Klassen können später ja auch mal Kinder beruflich Reisender sein, und dann kann ich schon auf mein Wissen aus diesem Projekt zurückgreifen.“


Interview mit Nele Ackermann, Bereichslehrkraft

Für mich als Lehrerin ist die Herausforderung, dass ich nie genau weiß, wie viele Kinder kommen, welche Kinder das sind, wie alt die Kinder sind oder welche Art von Unterstützung sie brauchen. Das fordert von mir viel Flexibilität, aber ich versuche immer gelassen an die neuen Situationen heranzugehen und ich glaube, das ist auch der Schlüssel dazu.
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    Seit wann sind Sie Lehrerin und für welche Fächer (ursprünglich)?

    „Ich bin seit fünf Jahren Sachunterricht- und Mathematiklehrerin für die Förderschule und seit einem Jahr auch Schwimmlehrerin. Ich bin zum Studium nach Hannover gekommen und bin seitdem hiergeblieben. Während des Studiums habe ich schon Nachhilfe im Schulwagen gegeben und das hat mich hier gehalten. Ich war damals die erste pädagogische Mitarbeiterin im Schulwagen und habe die Arbeit im Schulwagen mit meinem damaligen Chef entwickelt, bei dem ich als Praktikantin in seiner Klasse war. Zum Frühlingsfest 2011 habe ich dann hier angefangen. Der Schulwagen in Hannover ist etwas sehr besonderes, auf den anderen Festplätzen gibt es kein festinstalliertes Nachhilfe- und Unterstützungsangebot. Die Plätze sind dort kleiner, der Bedarf ist kleiner und es gibt hier eine sehr engagierte Elternschaft, die das Angebot initiiert.“

     

    Was sind Ihre Aufgaben als Bereichslehrkraft?

    „Ganz viel Koordination: Koordination von Schulbesuchen, Vermittlung zwischen Eltern und Schulen oder Schulen und Schulen. In meiner offiziellen Arbeitsplatzbeschreibung arbeite ich nicht am Kind, in der Realität hängt aber mein Herz hier am Platz. Da ich aber viel zusätzliche Unterrichtsverpflichtung habe, bin ich in der Regel nur mittwochs und freitags hier.“

     

    Gibt es bestimmte Schulen, die die Kinder beruflich Reisender aufnehmen?

    „Hier am Schützenplatz sind es die Grundschule Stammestraße und die Südstadtschule. Laut Erlasslage ist es so geklärt, dass eine platznahe Schule die Stützpunktschule ist, und diese beiden Schulen sind das mittlerweile gewohnt und sehr erprobt darin. Im Winter ist es oft auch die IGS List, da dort dann der Weihnachtsmarkt in der List stattfindet und dafür dann auch viele Kinder beruflich Reisender in der Stadt sind.“

     

    Was sind die besonderen Herausforderungen bei der Beschulung Kinder beruflich Reisender, sowohl für Sie als auch für die Kinder?

    „Ich glaube, die Kinder weisen eine sehr hohe Flexibilität und Disziplin auf, weil sie ganz früh schon ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit an den Tag legen müssen als Kinder, die immer an die gleiche Schule gehen. Sie müssen sich regelmäßig an neue Menschen, neue Schulen und neue Situation einstellen und ich glaube, wenn wir das machen müssten, wäre uns schon nach drei Wochen sehr schwindelig. Die Kinder meistern das aber alle sehr gut, das ist wirklich beeindruckend, wie gut die sich schon in der ersten Klasse organisieren können.

    Für mich als Lehrerin ist die Herausforderung, dass ich nie genau weiß, wie viele Kinder kommen, welche Kinder das sind, wie alt die Kinder sind oder welche Art von Unterstützung sie brauchen. Das fordert auch von mir viel Flexibilität, aber ich versuche immer gelassen an die neuen Situationen heranzugehen und ich glaube, das ist auch der Schlüssel dazu.“

     

    Wie sind Sie auf #LernenVernetzt aufmerksam geworden?

    „Ich bin ehrlich gesagt gar nicht darauf aufmerksam geworden. Unsere pädagogische Mitarbeiterin (studiert im Gymnasialschullehramt an der Uni Hannover) ist auf das Programm aufmerksam geworden und hat das an mich herangetragen. Sie meinte, das wäre doch was für uns und ein paar helfende Hände wären super. Ich habe das in der koordinierenden Funktion dann weiterverfolgt und uns für #LernenVernetzt angemeldet. Wir haben uns sehr über das Angebot gefreut, die Unterstützung durch die Studierenden ist für uns immer ein Plus und freut uns total.“

     

    Hat sich an der Selbstständigkeit der Kinder durch die Pandemie etwas verändert?

    „Ich glaube es hat sich verändert, dass die Lehrkräfte den Kindern mehr Selbstständigkeit zutrauen, weil sie erlebt haben, dass es geht. Die digitale Ausstattung der Kinder und die selbstverständliche Arbeit damit hat sich zum Teil geändert. Letztens kam ein Schüler zu mir und hatte kein Material dabei. Auf die Nachfrage „Was machst du denn dann jetzt?“ meinte er „Ich hab‘ doch mein Handy dabei und mache jetzt Bettermarks!“ – eine MatheApp für die Mittelstufe. Das läuft total gut und die Kinder sind sehr gut ausgestattet.“

     

    Wie läuft das mit Klassenarbeiten oder Abschlussarbeiten?

    „Abschlussarbeiten laufen über die Stammschulen oder wir bringen sie zu einer Schule vor Ort und sie schreiben dann dort beispielsweise den niedersächsischen Hauptschulabschluss mit. Allgemeine Klassenarbeiten werden häufig bei uns geschrieben weil die Schüler*innen das Angebot hier gerne annehmen, auch mal sonntags eine Klassenarbeit ganz in Ruhe zu schreiben. Ich scanne die Arbeiten dann ein und schicke sowohl die als auch die Originale an die Stammschulen zurück.“

     

    Gibt es Feedback von den Stützpunktschulen und Ihnen oder den Eltern?

    „Die Stützpunktschulen müssen Lernstandsberichte nach dem Ende des Besuchs schreiben und beschreiben, welche Kompetenzen die Kinder in welchen Fächern haben. Der Bericht wird dann an die Stammschule geschickt. Das klappt hier in Hannover sehr gut, im ländlichen Raum manchmal eher schwieriger, da muss ich dann noch unterstützen.“

     

    Macht es aus Ihrer Sicht einen Unterschied, ob die Schüler*innen regelmäßig ein instruktionales Schul-Setting besuchen?

    „Es kommt stark aufs Kind an, manche können sehr selbstständig alleine arbeiten und manche brauchen eher den Unterricht im sozialen Gefüge. Gerade noch die ganz Kleinen, so 1. Klasse, da sollen sie meistens da wo sie sind den Erstunterricht mitmachen, weil gerade die Einführungen da so wichtig sind, weil sie sich die Einstiege nicht alleine erarbeiten können.“


Interview mit zwei Schüler*innen, die im Schulwagen lernen

Wenn ich eine Aufgabe gut kann, dann mache ich das zuhause, aber alles was ich nicht kann, mache ich dann im Schulwagen mit den Lehrkräften – dafür sind sie ja auch da.
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    In welche Klasse geht ihr?

    L.: „Ich gehe in die fünfte Klasse.“

    S.: „Ich gehe in die achte Klasse.“

     

    Welche ist eure Stammschule?

    S: „Von der Stammschule bekommen wir unsere Aufgaben und wir besuchen diese Schule, wenn wir nicht auf Reisen sind. Bei mir ist das die Realschule.

    L: „Ich gehe auf eine Gesamtschule.“

     

    Wie arbeitet ihr hier?

    L: „Ich habe keinen Wochenplan, ich mache jeden Tag so ungefähr das gleiche. Ich arbeite gerne an der Tafel, schreibe da dann Aufgaben auf und rechne die dann aus.“

     

    Wie läuft die Unterstützung mit Herrn Wrede ab?

    L: „Die Unterstützung hat sehr gut geklappt. Er hilft bei jeder Situation.“

    S: „Ich bekomme oft in Mathe Hilfe von ihm. Ich erkläre ihm immer, wie ich eine Aufgabe lösen würde und er hilft mir und verbessert meinen Lösungsansatz.“

     

    Macht es euch Spaß im Schulwagen zu lernen?

    L: „Ja sehr! Wenn ich eine Aufgabe gut kann, dann mache ich das zuhause, aber alles was ich nicht kann, mache ich dann im Schulwagen mit den Lehrkräften – dafür sind sie ja auch da.“

    S: „Ich gehe auch oft einfach nur so hier hin, weil ich die Atmosphäre hier sehr gerne mag.“

     

    Was könnte man denn anders machen?

    L: „Egal was man machen möchte, die Lehrer machen ein Angebot: Also zum Beispiel erst eine Aufgabe lösen, dann eine Runde um den Platz drehen.“

    S: „Es gibt ja auch ein paar Ältere bei uns, und die müssen manchmal auch im Geschäft aufmachen. Die planen das dann aber immer so ein, dass wir unsere Schulsachen erst fertig machen können und dann im Geschäft helfen.“

     

    Wo seid ihr noch so unterwegs, außer in Hannover?

    S: „In Kiel, Celle, Bremerhaven, ganz unterschiedlich. Eigentlich sind wir fast überall unterwegs, außer ganz im Süden.

     

    Und möchtest du später auch mal auf den Festen arbeiten?

    S: „Ja, ich möchte das später auch gerne machen. Eventuell will ich vorher noch studieren, aber wenn alles klappt, dann will ich später auf jeden Fall auch auf den Festen arbeiten.“