Kritische Überlegungen: Sprache, Migration und Differenzziehung

Der Buchteil C beinhaltet kritische und reflektierende Beiträge, die zukunftstaugliche Impulse anbieten, damit nicht nur die Bildungslandschaft, sondern auch viele gesellschaftliche Sphären und öffentliche Begegnungsorte für eine migrationsbedingte Vielfalt und Mehrsprachigkeit aufgeschlossen und nachdenklich gestimmt werden.

Abstracts vom Buchteil C

Kapitel V: Zwischen Inklusion und Ausgrenzung

  • 19. Das Privileg als Leitkategorie in der machtkritischen Bildungsarbeit – Florian Grawan

    Abstract

    »Im Fokus des Artikels steht die Übung Ein Schritt nach vorn, die im Bereich der machtkritischen Bildungsarbeit starke Anwendung findet. Grundprinzip ist hier die Reflexion von subjektiven Möglichkeitsräumen, d. h. die durch soziale Positionierungen beeinflussten Handlungsspielräume, die zu Privilegierung und De-Privilegierung führen können. Gerade aufgrund der grundsätzlichen Offenheit wird diese Übung als Interpretationsfolie verwendet, um an ihr die grundlegenden Prinzipien antirassistischer Bildungsarbeit und mögliche ‚Stolpersteine‘ exemplarisch darlegen zu können. Hiermit soll herausgestellt werden, dass im Rahmen der machtkritischen Bildungsarbeit nicht (nur) die Vermittlung von eindeutigem Fachwissen verfolgt werden sollte, sondern dass die Reflexion der benannten Handlungsspielräume an sich – und in Bezug auf die eigene Persönlichkeit – im Fokus steht.« (Florian Grawan 2019: 393)

  • 20. Inclusive Citizenship als Ausgangspunkt – Malte Kleinschmidt et al.

    Abstract

    »Aktuelle gesellschaftliche Veränderungen stellen die politische Bildung vor große Herausforderungen. Neben der Frage des Umgangs mit dem Thema Flucht und Migration gibt es auch Veränderungen in anderen Bereichen, wie etwa der Frage der gesellschaftlichen Teilhabe von behinderten Menschen oder des Umgangs mit sozialer Ungleichheit. Der Ansatz »Inclusive Citizenship Education« stellt einen Versuch dar, eine Perspektive für Forschung und Praxis der politischen Bildung zu entwickeln, in der diesen Herausforderungen begegnet werden kann.«( Malte Kleinschmidt, Steve Kenner & Dirk Lange 2019: 407)

  • 21. Ästhetik des Zugangs – Rafael Ugarte Chacón

    Abstract

    »Im Theater, das sich gleichermaßen an Gehörlose und Hörende richtet, spielen Sprache und Kommunikation immer eine zentrale Rolle. Anders als in Alltagssituationen kann der prekären Kommunikationssituation nicht einfach durch eine Verdolmetschung begegnet werden. Diese würde sowohl den ästhetischen als auch den sozialen Bedingungen und Ansprüchen von Theateraufführungen nicht gerecht. So kann Sprache im Theater nicht auf ihren semantischen Gehalt reduziert werden. Gleichzeitig muss die ästhetische Gestaltung von Aufführungen die Heterogenität des Publikums berücksichtigen. Ich schlage eine Ästhetik des Zugangs vor, welche die körperlichen, hierarchischen und kulturellen Unterschiede von Gehörlosen und Hörenden nicht nur berücksichtigt, sondern auch ästhetisch nutzt.« (Rafael Ugarte Chacón 2019: 417)

  • Literaturangaben: Reflexionen zu Positionierung zwischen Inklusion und Ausgrenzung. Politische Bildung und Ästhetik

    Literaturangaben (Kapitel V)

    • Natarajan, Radhika. Einleitung. Sprache, Flucht und Migration. Einordnende Überlegungen. S. 3–47.
    • Grawan, Florian. Das Privileg als Leitkategorie in der rassismuskritischen Bildungsarbeit – Am Beispiel der Methode »Ein Schritt nach vorn«. S.393–406.
    • Kleinschmidt, Malte, Steve Kenner und Dirk LangeInclusive Citizenship als Ausgangspunkt für emanzipative und inklusive politische Bildung in der Migrationsgesellschaft. S. 407–415.
    • Ugarte Chacón, Rafael. Ästhetik des Zugangs: Kommunikation und Sprache im Theater für Gehörlose und Hörende. S. 417–433.

    In: Natarajan, Radhika, Hrsg. 2019. Sprache, Flucht, Migration. Kritische, historische und pädagogische Annäherungen. Wiesbaden: Springer VS.

Kapitel VI: Nützlichkeit vs. Empathie

  • 22. Literaturwissenschaft als interkulturelles Training – Kirsten Twelbeck

    Abstract

    »Die folgenden Seiten sind ein Plädoyer nicht nur für das Lesen komplexer literarischer Texte, sondern auch für die Literaturwissenschaft. Im Zentrum steht ein Fallbeispiel, das sehr spezifisch und insofern nicht einfach verallgemeinerbar ist, das aber aufgrund seiner Radikalität dennoch Rückschlüsse auf das kreative und verändernde Potenzial literaturwissenschaftlichen Denkens zulässt. Gegenstand meiner Betrachtungen ist ein koreanisch-amerikanischer Experimentaltext – ein Werk also, in dem innovatives Schreiben mit einer starken kulturellen Komponente zusammenfällt. Aufgrund dieses Zusammenfallens stellt Theresa Hak Kyung Chas’ Dictee (1982) eine doppelte Provokation von Mehrheiten dar, die sowohl kulturell konnotiert als auch bestimmten Genrekonventionen verpflichtet sind. Doch da mein Gegenstand das Denken selber ist, steht nicht die ideologiekritische Aussage dieses Textes im Mittelpunkt, sondern die viel zu selten diskutierte Kernpraxis unseres Faches – jene langen Phasen der Textanalyse, in denen etwas passiert, das ich im Folgenden als »multikulturelle Flutung« bezeichne und als ein Training für den Umgang mit den globalen Umwälzungen unserer Epoche ansehe.« (Kirsten Twelbeck 2019: 437)

  • 23. Das Recht der Entrechteten – Peter Schneck

    Abstract

    »Die Vorstellung, dass alle Menschen die gleichen grundlegenden und natürlichen Rechte haben, ist weit verbreitet, doch selbstverständlich ist sie deshalb keineswegs. Woher aber kommt dann diese Vorstellung und, noch mehr, das Wissen um tatsächlich existierende rechtliche Bedingungen und Möglichkeiten, diese Rechte einzufordern und wahrzunehmen? Die Geschichte und die Gegenwart der Menschenrechte ist ohne die Herausbildung eines individuellen und kollektiven Rechtsbewusstseins nicht vorstellbar – und an dieser Form Menschenrechtsbildung kann Literatur ein besonderer Anteil zugesprochen werden. Dabei lässt sich die mögliche Wirkung literarischer Werke nicht allein auf die Erzeugung von Mitleid und Einfühlung in den Anderen beschränken; Literatur hat nicht nur affektive und emotionale Funktionen in der Menschenrechtsbildung, sondern eröffnet auch Möglichkeiten der Kritik, der Verhandlung und der Reflexion.« (Peter Schneck 2019: 447)

  • 24. Menschenrechte, ›westliche Werte‹ und Geflüchtete – Eva Kalny

    Abstract

    »Die Themen Menschenrechte und Geflüchtete stehen aus zumindest zwei Gründen in einem Zusammenhang: so ist erstens der Schutz von Geflüchteten Teil des Menschen- und Völkerrechts, und beziehen sich zweitens zahlreiche aktuelle öffentliche Diskurse auf eine angenommene Notwendigkeit, in Europa angekommenen Menschen Menschenrechte und ‚westliche Werte‘ überhaupt erst einmal vermitteln zu müssen. Im Folgenden werden Menschenrechte von Geflüchteten im Sinne des internationalen Rechts umrissen und danach komplexe historische Beziehungen zwischen Menschenrechten und ‚westlichen Werten‘ dargelegt. Dabei wird ersichtlich, dass die übliche Darstellung von Menschenrechten als Produkt westlicher Geschichte und Werte zu kurz greift. Darauf aufbauend werden einige Aspekte der vielschichtigen Vermittlung westlicher Werte und Traditionen an Geflüchtete analysiert. Der Gestus der Überlegenheit, mit dem häufig an eben diese Werte appelliert wird, steht dabei im Gegensatz zur Grundidee der Gleichwertigkeit aller Menschen und damit der Menschenrechte.« (Eva Kalny 2019: 471)

  • 25. Romantische Anmerkungen zur Bildungssprache – Hans Bickes

    Abstract

    »Der vorliegende Essay will auf ein Paradoxon hinweisen, das mit der Rede von Bildungssprache einhergeht. Das bildungssprachliche Programm, wie es etwa in Konzepten des sprachsensiblen Unterrichtens vertreten wird, tritt mit dem löblichen Anspruch auf, Barrieren zu überwinden, die sich aus dem Zusammenspiel einer Sprache der Distanz und dem Bedürfnis nach einer rationalen und objektivierten Erkenntnis ergeben. Dieses Programm stellt sich in eine lange Tradition der Trennung von Ratio und Körper. In dem Maße, wie wir Schüler_innen in die dekontextualisierten, entsubjektivierten und scheinbare Objektivität verheißenden Sprachspiele von Bildungs- und Wissensinstitutionen einüben, entfremden wir sie u. U. einer Kommunikationsform der Nähe und sozialisieren sie in eine künftige Welt des Digitalen, in der Entscheidungen kühl rechnender künstlicher Intelligenz überantwortet werden. Doch erst die sinnliche Verkörperung der Sprache der Nähe in den Subjekten einer sozialen Gemeinschaft verknüpft Erkenntnis mit Emotion, Empathie und sozialer Verantwortung und schließt Entscheidungen an das Gewissen autonomer Subjekte an.« (Hans Bickes 2019: 493)

  • Literaturangaben: Reflexionen zu Nützlichkeit vs. Empathie, Literatur, Menschenrechte und Bildung

    Literaturangaben (Kapitel VI)

    • Natarajan, Radhika. Einleitung. Sprache, Flucht und Migration. Einordnende Überlegungen. S. 3–47.
    • Twelbeck, Kirsten. Literaturwissenschaft als interkulturelles Training am Beispiel der koreanisch-amerikanischen Literatur. S.437–446.
    • Schneck, Peter. Das Recht der Entrechteten: Literatur und die Erfindung der Menschenrechte. S. 447–470.
    • Kalny, Eva. Menschenrechte, ‚westliche Werte‘ und Geflüchtete. S. 471–492.
    • Bickes, Hans. Romantische Anmerkungen zur Bildungssprache – ein Essay. S. 493–510.

    In: Natarajan, Radhika, Hrsg. 2019. Sprache, Flucht, Migration. Kritische, historische und pädagogische Annäherungen. Wiesbaden: Springer VS.

Kapitel V: Zwischen Inklusion und Ausgrenzung

Auszug aus der Einleitung

»Im fünften Kapitel betitelt Reflexionen zu Positionierung zwischen Inklusion und Ausgrenzung: Politische Bildung und Ästhetik werden die verschiedenen Prozesse der Differenzherstellung, Hierarchisierung, des Ausschlusses reflektiert und Vorschläge für einen bewussten Umgang mit Differenzabbau, Privilegienbewusstsein sowie Möglichkeiten des Einschlusses in drei Beiträgen unterbreitet. Die Prozesse beschränken sich nicht auf eine spezifische Gruppe oder Gruppenzusammensetzung und sind weder mit dem Differenzierungsvermögen noch der ständigen Feststellung von Unterschieden, die uns permanent in unserem täglichen Leben und unserer Alltagsgestaltung und -bewältigung begegnen, zu verwechseln.

Die mit der Unterscheidung einhergehende Hierarchisierung und Schlechterstellung von bestimmten ›Anderen‹ und die Besserstellung, Aufwertung und Privilegierung von den als ›eigen‹ angesehenen Gruppen führen zu diskriminatorischen Praktiken, die es zu erkennen gilt, um vorsätzlich und bewusst dagegen zu wirken.

Die drei hier angesprochenen Bereiche sind zum einen zufällig zusammengesetzte Gruppen im universitären Seminar- bzw. Workshopkontext, zum zweiten gesellschaftlich-politisch induzierte Mechanismen der Inklusion und Exklusion in Bezug auf ein erweitertes Verständnis von Citizenship sowie zum dritten eine entlang des Sprech- und Hörvermögens (nicht Sprachvermögens) zu differenzierende Gruppierung im ästhetisch-künstlerischen Zusammenhang des Theaters.« (Natarajan 2019: 31f.)

Keywords

Beitrag 19 Florian Grawan
Machtkritische Bildungsarbeit, Privilegien, Rassismuskritik, strukturelle Diskriminierung, reflexive Kompetenz, Methoden der Politischen Bildung, best-practice-Handlungsempfehlungen

Beitrag 20 Malte Kleinschmidt et al.
Politische Bildung, Staatsbürgerschaft, Inklusion, Teilhabe, acts of citizenship, Exclusionsmechanismen, Inclusive Citizenship

Beitrag 21 Rafael Ugarte Chacón
Theater, Gehörlosigkeit, Taubheit, Ästhetik, Inklusion, Performativität, Gebärdensprache, Kommunikation, Behinderung, Barrierefreiheit

Kapitel VI: Nützlichkeit vs. Empathie

Auszug aus der Einleitung

»Das sechste Kapitel mit vier Beiträgen trägt die Überschrift Reflexionen zu Nützlichkeit vs. Empathie: Literatur, Menschenrechte und Bildung. Es stellt Reflexionen über den Gegensatz von Nützlichkeit und Empathie in den Bereichen der Menschenrechte, der Literatur und der Bildung an. Das allgegenwärtige Diktat und die offene wie versteckte Forderung nach nachweislicher Verwertbarkeit und Nützlichkeit von jeglichem Wissen und jeglicher Wissensaneignung werden in Frage gestellt.

Menschlichkeit, Solidarität und Empathie auf Knopfdruck zu verlangen oder vorauszusetzen und dabei Menschen selbst nach jenen marktorientierten Kriterien zu trimmen und formen, kann letztlich nicht mit der Würde des Menschseins im Einklang oder der Sinn von Bildung sein. Mit nachdenklich stimmenden Reflexionen mahnen die Beiträge uns Lesende zu einem umfassenden Blick und verhelfen uns zu einem Geschichtsbewusstsein und damit zu einer sensibleren Zukunftsgestaltung.« (Natarajan 2019: 33f.)

Keywords

Beitrag 22 Kirsten Twelbeck
Literaturwissenschaft, experimentelles Schreiben, Wirkungsästhetik, interkulturelles Lernen, Kulturberührung, Spiel, Gender, koreanisch-amerikanisch, Postcolonial Studies

Beitrag 23 Peter Schneck
Menschenrechte, Literatur, Fiktion, Affekt, Identifikation, Rechtsperson, Unrechtserfahrung, Gewalt

Beitrag 24 Eva Kalny
Menschenrechte, Westliche Werte, Flucht, Asyl, Eurozentrismus, Rassismus, UNO, Geschichte, Europäische Union, Sexismus

Beitrag 25 Hans Bickes
Bildungssprache, Kompetenzen, Sprache der Nähe, Sprache der Distanz, rationale Erkenntnis, Verkörperung, embodiment, Objektivität, Entsubjektivierung, Empathie, soziale Verantwortung

 

Weiterführende Informationen

E-Book und Kapitel kostenlos erhältlich
  • Der Gesamtband sowie die einzelnen Kapitel sind über die Bibliothek kostenlos herunterzuladen.
  • Die Abstracts der einzelnen Beiträge vom Buchteil C befinden sich in den obigen Kästen.