Der pädagogische Auftrag: UNESCO-Programm Bildung für Nachhaltige Entwicklung 2030

Der Begriff "Bildung für nachhaltige Entwicklung" (BNE) wurde auf der UN-Umweltkonferenz von Rio de Janeiro 1992 geprägt, der Geburtsstunde der Globalen Agenda für Nachhaltige Entwicklung - Agenda 21 – als Vorläuferin der Sustainable Development Goals (SDGs). Bildung und öffentlichem Bewusstsein wurden darin eine Schlüsselrolle bei der Erreichung einer nachhaltigen Entwicklung zugesprochen. Gemeint war eine Bildung, die Menschen befähigt, die drei Dimensionen der Nachhaltigkeit - Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft - in ihrer Komplexität und Interdependenz zu verstehen und Verantwortung für die Gestaltung einer nachhaltigen Entwicklung zu übernehmen.

Graphik zur Roadmap BNE 2030 Graphik zur Roadmap BNE 2030 Graphik zur Roadmap BNE 2030 © CC-BY-NC-ND 4.0_Visual Facilitators_Björn Pertoft

Die Vereinten Nationen haben für die Jahre 2005 bis 2014 eine "Weltdekade Bildung für nachhaltige Entwicklung" ausgerufen, mit dem Ziel das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung weltweit in allen Bildungsbereichen zu verankern und BNE-Projekte für nachhaltige Bildungslandschaften zu fördern.

Mit dem SDG-Unterziel 4.7: „Bis 2030 sicherstellen, dass alle Lernenden die für nachhaltige Entwicklung notwendigen Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben (…)“  definieren die Vereinten Nationen seit 2015 BNE erstmalig als verpflichtendes politisches Handlungsfeld. Mit dem Auftrag an Bildung, Menschen für individuellen und kollektiven Wandel zu sensibilisieren, zu stärken und zu mobilisieren, wird BNE dabei als Wegbereiterin aller 17 SDGs verstanden.

Das nachfolgende „Weltaktionsprogramm BNE“ (2015-2019) der Vereinten Nationen zielte darauf ab, Bildung für nachhaltige Entwicklung vom Projekt in die Struktur zu bringen, d.h. BNE als Querschnittsthema zu verankern und langfristig eine systemische Veränderung des Bildungssystems zu bewirken.

Mit dem aktuellen Rahmenprogramm BNE 2030 – eine Roadmap“ definieren die Vereinten Nationen eine Umsetzungsstrategie für die Jahre 2020-2030 im Lichte der SDGs. Qualitativ spricht aus dieser Weiterentwicklung ein radikaleres Verständnis einer BNE, die sich v.a. auch mit den Zielkonflikten und Widersprüchen der SDGs und den strukturellen und systemischen Ursachen einer nicht nachhaltigen Lebensweise befassen soll. Der Aspekt transformativen Lernens von Individuen und der kollektiven Veränderung gesellschaftlicher Strukturen steht im Fokus einer BNE, die sich zunehmend als kritische-emanzipatorische Bildung versteht, die Lernende ganzheitlich anspricht, und Bildung als Ganzes transformieren will.

Im Interesse unseres eigenen Überlebens müssen wir lernen, auf diesem Planeten nachhaltig zusammenzuleben. Wir müssen die Art und Weise ändern, wie wir als Individuen und Gesellschaft denken und handeln. Und dafür muss sich Bildung ändern, um das Bewusstsein und die Handlungskompetenz zu vermitteln, sich selbst und die Gesellschaft zu transformieren.
Stefania Giannini, stellvertretende UNESCO-Generaldirektorin für Bildung

BNE ist dementsprechend kein Sachthema, sondern vielmehr eine pädagogische Haltung i.S.e. gelebten nachhaltigen Lernkultur. Dementsprechend definiert die „Roadmap: BNE 2030“ die ganzheitliche Transformation von Lern- und Lehrumgebungen im Sinne des Whole-Institution-Approaches („lernen, wie wir leben, und leben, was wir lernen“) sowie die Kompetenzentwicklung bei Lehrenden und Multiplikator*innen („sie mit dem Wissen, den Fähigkeiten, den Werten und den Einstellungen auszustatten, die für den Wandel hin zur Nachhaltigkeit erforderlich sind“) als zwei der wichtigsten Handlungsfelder.

BNE bezieht sich auf lebenslanges Lernen in allen Bildungsbereichen. Dem formalen Bildungssystem - Schule, Berufliche Bildung und Hochschule – fällt eine besondere Bedeutung zu, da es als zentraler Sozialisationsort die Entwicklung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen prägt. Die Frage, welches Wissen, welche Weltsichten, welche Werte, welche Identitäten, welche Emotionen, welche Fähigkeiten und welche Beziehungen bei den Lernenden in einer Welt im Krisen- und Umbruchmodus gefördert werden, ist entscheidend für die Transformations(un)fähigkeit von Gesellschaft.