Prof. (em.) Dr. Detlev Claussen

Detlev Claussen (Institut für Soziologie) hat zwei Vorträge in der Reihe »mittwochs um vier« gehalten. Sein Beitrag findet sich im neuen Sammelwerk »Sprache – Bildung – Geschlecht«.

Zur Person

Detlev Claussen studierte an der Universität Frankfurt am Main, promovierte 1978 und habilitierte sich 1985 an der Universität Hannover. Nach seiner Lehrtätigkeit an den Universitäten Göttingen, Duisburg und Marburg hatte er seit 1994 den Lehrstuhl für Gesellschaftstheorie, Kultur- und Wissenschaftssoziologie am Institut für Soziologie der Universität Hannover inne. Von 1966 bis zu dessen Selbstauflösung 1970 war er Mitglied im Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS), von 1973 bis 1990 Mitglied im Sozialistischen Büro und in der Redaktion der Zeitschrift links. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Antisemitismus, Xenophobie, Nationalismus, Rassismus, Migrationsbewegungen, Kultur- und Wissenschaftssoziologie, Gesellschaftstheorie und Psychoanalyse.

Vorträge in der Reihe »mittwochs um vier«

SoSe 2018
(a) Die begriffslose Gesellschaft: Über Identität, Kultur und Volk

Wir leben in einer Gesellschaft, die keinen Begriff von sich selber hat. Auf der Suche nach einem Fixpunkt im raschen gesellschaftlichen Wandel kam Mitte der siebziger Jahre der Ausdruck »Identität« in Mode, der individuelles und kollektives Selbstverständnis kennzeichnen sollte. Das emanzipatorische Stichwort verkehrte sich schnell. Identität wurde zu einem Bedeutungsträger des Ethnonationalismus. Auf diese Weise veränderten sich auch die gängigen Vorstellungen von Kultur und Nation – sie wurden unter der Hand ethnisiert. 

SoSe 2019
(b) Die ethnische Falle

Wie in einem Brennglas hat die Causa Özil 2018 die Begriffsverwirrung in der deutschen Öffentlichkeit sichtbar gemacht, die aus der verspäteten Wahrnehmung einer ethnoheterogenen Gesellschaft gefolgt ist. Die wichtige Differenz von Ethnos und Demos ist auf der Suche nach Identität verschwunden. Das Stichwort »Multikultur« beschreibt nur oberflächlich die Veränderung der Beziehung von Kultur und Gesellschaft. Kultur wird ethnifiziert, ohne das synkretistische Potenzial einer diversen Gesellschaft erkennen zu lassen.

Beitrag im Sammelwerk Sprache – Bildung – Geschlecht

Die begriffslose Gesellschaft

Keywords

  • Identität,
  • Kultur,
  • Volk,
  • Ethnonationalismus,
  • bürgerliche Gesellschaft,
  • Krise,
  • Akademien.

Abstract

Überarbeiteter Vortrag vom 20. Juni 2018 in der Vortragsreihe »mittwochs um vier«

»Wir leben in einer Gesellschaft, die keinen Begriff von sich selber hat. Auf der Suche nach einem Fixpunkt im raschen gesellschaftlichen Wandel kam Mitte der siebziger Jahre der Ausdruck ›Identität‹ in Mode, der individuelles und kollektives Selbstverständnis kennzeichnen sollte. Das emanzipatorische Stichwort verkehrte sich schnell. Identität wurde zu einem Bedeutungsträger des Ethnonationalismus. Auf diese Weise veränderten sich auch die gängigen Vorstellungen von Kultur und Nation – sie wurden unter der Hand ethnisiert.« (Detlev Claussen i.E.)